Messapparatur
Unser Prototyp einer Luft-γ-Messanlage sollte uns Erkenntnisse liefern, die wir durch theoretische Betrachtungen allein nicht gewinnen konnten. Wir wollten Erfahrungen im realen Betrieb einer Messtation sammeln, auf deren Grundlage dann Entscheidungen über die sinnvollen Realisierungsmöglichkeiten von nach Möglichkeit deutlich einfacher und preiswerter zu konzipierenden Messanlagen getroffen werden konnten. Diese Apparatur war also nicht als direkter Vorläufer für weitere Messanlagen gedacht. Es wurde folglich eine einzelne Messanlage zusammengestellt ...
- aus im Labor vorhandenen Mitteln
- in möglichst kurzer Entwicklungs- und Aufbauzeit
- mit so hoher Ansprechempfindlichkeit wie möglich
- unter Verwendung von im Labor vorhandenen, derzeit ansonsten unbenutzten Standardgeräten für einen begrenzten Zeitraum, d.h. es konnten High-End-Komponenten benutzt werden, bei denen nicht auf deren hohe Anschaffungskosten geachtet werden musste
- mit maschinenlesbarer Datenaufzeichnung (auf Magnetband-Cassetten)
- betrieben am konventionellen Stromnetz, jedoch gegen Netzausfälle geschützt (gepuffert).
Die Messdaten sollten (mit einigen speziellen, damals notwendigen, technischen Umwegen) in das damalige Rechenzentrum der Universität übertragen werden und am dortigen Großrechner von uns ausgewertet werden.
Für die Erstellung der Messanlage war ein Zeitraum von einigen Monaten angedacht; dass dieser Zeitrahmen deutlich überschritten wurde, ist nicht verwunderlich - dies ist schließlich ein auch von anderen Projekten bestens bekanntes Phänomen.
In einem anständigen Labor für Kernstrahlungsmesstechnik gibt es immer auch Gerätschaften, die gerade (auch mittelfristig) nicht in einem Experiment Verwendung finden. Wir schauten also in die Regale und fragten die dort lagernden
- Strahlungssensoren: Geiger-Zählrohre, NaJ(Tl)-Szintillationsdetektoren
- Hochspannungsmodule
- Vorverstärker, Hauptverstärker, Diskriminatoren, NIM-Überrahmen
Das schließlich realisierte Gerät bestand zunächst aus:
- einer handelsüblichen, für die Aufstellung im Freien geeigneten, wasserdicht verschließbaren Aluminiumkiste mit den Strahlungssensoren:
- GMZ = ein Geiger-Müller-Zählrohr des Typs ZP1220 (Hersteller: Valvo), samt Hochspannungsversorgung und Ausgangs-Treiberstufe
- NaJ 1 = ein (3"x5")-NaJ(Tl)-Szintillationsdetektor mit Photomultiplier (Hersteller: Harshaw)
- NaJ 2 = ein (3"x3")-NaJ(Tl)-Szintillationsdetektor mit Photomultiplier (Hersteller: Harshaw)
- eine Silizium-Halbleiterdiode als Temperatursensor
- der notwendigen Anzahl und Ausführung von Koaxialkabeln (Signalkabel, Hochspannungskabel) von jeweils 15 m Länge zur Verbindung mit dem Hauptgerät
- dem Hauptgerät, das aus diversen Komponenten in einem kleinen Laborwagen bestand aus:
- einem AEC-NIM-Überrahmen zur Stromversorgung der Einschübe
- Diskriminator für Zählkanal GMZ
- Hochspannung, Vorverstärker, Hauptverstärker, Diskriminator, Teilerstufe (1:100) für Zählkanal NaJ 1
- Hochspannung, Vorverstärker, Hauptverstärker, Diskriminator, Teilerstufe (1:100) für Zählkanal NaJ 2
- einer Mikroprozessor-Experimentierplatine ECB85 (Siemens) auf Basis eines 8085-Prozessors, die von uns zur Anpassung an die spezielle Peripherie und unsere Messaufgabe um diverse Kleinschaltungen erweitert wurde
- einem (damals handelsüblichen) Audio-Cassetten-Recorder, dessen Motorleitung vom Mikroprozessor ein und aus geschaltet werden konnte, zur Aufzeichnung der Messdaten. (Elektronische Speichermedien entsprechender Größe, wie RAMs oder gar dauerhaft speichernde Halbleiterspeicher [EEPROMs, CF-Cards, SD-Cards, usw.] gab es damals noch nicht!)
- einem selbstgebauten Netzteil zur unterbrechungsfreien Stromversorgung des ECB85. Zur Überbrückung von Netzunterbrechungen lädt dieses Netzteil im Normalfall einen Bleiakkumulator (12 V, 16 Ah) stets randvoll nach. Die Versorgung des Mikrocomputers und des Cassetten-Recorders erfolgt dann bei Netzausfall noch für eine Dauer von bis zu 16 Stunden. Damit ist sichergestellt, dass der Prozessor mit seinem Maschinenprogramm stets weiterläuft. Daten der Strahlungsdetektoren werden in dieser Zeit allerdings nicht aufgezeichnet, weil der NIM-Überrahmen (mit seinem hohen Stromverbrauch) nicht gepuffert wird
- einem konventionellen Energieverbrauchsmesser (kWh-Zwischenzähler). Wenn die Apparatur bei einer Gastfamilie betrieben wird, erlaubt dieser die Erstattung der dort entstandenen Stromkosten
- einer thermostatgesteuerten Belüftung des Messwagens. Der unten offen abgebildete Wagen wird im Betrieb zum Schutz vor Verstaubung sowie versehentliche Fehlbedienung mit Metallplatten verschlossen, erwärmt sich dadurch im Sommer durch den Gesamt-Stromverbrauch jedoch merklich. Die Zwangsbelüftung soll in diesem Fall eine übermäßige Erwärmung der temperaturempfindlichen Teile (Hochspannungserzeugungen, Diskriminatoren) verhindern
Allen anderen hier genannten, kommerziell hergestellten Komponenten (Überrahmen, Hochspannung, Vorverstärker, Hauptverstärker, Diskriminator) entstammen dem Sortiment des Herstellers Canberra.
Das auf dem Mikroprozessor laufende, selbstgeschriebene Maschinenprogramm sieht vor, dass die gesammelten Daten am Ende eines jeden 5-Minuten-Intervalls zunächst im RAM des Mikrocomputers zwischengespeichert werden. Nach 256 5-Minuten-Intervallen werden die zwischengespeicherten Messdaten dann in einem Datenblock auf die Magnetband-Cassette geschrieben.
Im Probebetrieb wurde dann bald deutlich, dass die Aufzeichnung auch der aktuellen Niederschlagsmenge am Messort äußerst wünschenswert ist. Die Messanlage wurde daher durch den Anschluss eines speziellen, selbstkonstruierten Regenmengenmessers erweitert. Zu dessen Erfordernis und Kontruktion siehe unter Ergänzung: Regensensor.
Die nachfolgende Grafik zeigt unser damaliges Blockschaltbild des so entstandenen Messanlagen-Prototyps.