Entwicklung in Bremen (1981-1986)
Die Begeisterung unseres Kollegen aus Garching für seine Projektidee hat unsere kleine Arbeitsgruppe im Labor für Kernstrahlungsmesstechnik an der Universität Bremen sofort auch erfasst. Allerdings haben wir nicht versucht, das Projekt "Strahlenmessanlagen für Jedermann" direkt umzusetzen (auch schon, um zu dem sehr geschätzten Kollegen mit seiner eigenen guten Idee unsererseits nicht in Konkurrenz zu treten). Vielmehr stand bei uns ein erhebliches Forschungsinteresse im Vordergrund. Bezüglich der aktuellen Realisierbarkeit zunächst eher skeptisch eingestellt, stellten wir uns eine Reihe von grundsätzlichen Fragen, wie z.B.:
- Mit welchen luftgetragenen Aktivitätsabgaben welcher Radionuklide aus welcher Art von Atomanlage ist zu rechnen ...
- im sogenannten Normalbetrieb?
- bei moderaten Störfällen in der Anlage?
- Aus bis zu welcher Entfernung kann die γ-Strahlung dieser Menge dieser radioaktiven Nuklide aus der Abluftwolke der Atomanlage nach dem Durchgang durch die Luft noch einen am Boden befindlichen Strahlungssensor in zum Nachweis ausreichender Intensität erreichen? In welcher Entfernung von der Atomanlage sollten also die Sensoren aufgestellt werden, und welchen Abstand zueinander sollten sie haben?
- Oder auch umgekehrt: Wie intensiv muss die Strahlung einer radioaktiv befrachteten Abluftwolke sein, damit der am Boden befindliche Sensor eine noch messbare Erhöhung der Strahlenintensität gegenüber der natürlichen Umgebungsstrahlung anzeigt? Was ist überhaupt eine messbare Erhöhung?
- Welches Ansprechvermögen muss der Strahlungssensor besitzen (d.h. "wie empfindlich" muss der Strahlungssensor sein), um typische Radioaktivitätsabgaben aus einer Atomanlage noch nachweisen zu können?
- In welchem Zeitraster, also in welchem zeitlichen Abstand, sollten die Messdaten erhoben werden?
- Die Kosten von Strahlungssensoren steigen rapide mit deren Ansprechvermögen (Empfindlichkeit). Ist eine aussagekräftige Umgebungsüberwachung von Atomanlagen überhaupt mit moderaten Kosten (privat finanzierbar) realisierbar?
- Mit welchem Einfluss von anderen Umgebungsparametern (wie z.B. Temperatur, Niederschlag, ...) auf die Strahlungssensoren ist zu rechnen?
- Wie könnten (mit den damaligen, aus heutiger Sicht sehr begrenzt erscheinenden technischen Möglichkeiten), die vielen technischen Probleme kostengünstig gelöst werden, wie z.B.
- die kontinuierliche Stromversorgung?
- eine zuverlässige, möglichst maschinenlesbare Datenaufzeichnung?
- die spätere Datenauswertung?
Nach einiger Überlegung beschlossen wir, die vielen Fragen gleichzeitig von zwei Seiten anzugehen:
- von der Theorie her: soweit möglich, sollten die Fragen
- der typischen Abgaberaten von Radionukliden aus Atomanlagen
- der Schwächung der Photonenstrahlung aus den radioaktiven Zerfällen durch die Luft
- der zum erfolgreichen Nachweis notwendigen Sensorempfindlichkeit
- von der Praxis her: es sollte eine einzelne Messanlage zusammengestellt werden, um
- theoretisch nur schwer zugängliche Fragen praktisch zu beantworten
- die theoretisch erhaltenen Antworten praktisch zu überprüfen
- mit einem realen Gerät echte Erfahrungen zu sammeln
- bezüglich optimaler technisch-physikalischer Messbedingungen
- bezüglich der Bedienbarkeit und der Zuverlässigkeit einer solchen Messapparatur
- bezüglich des Einflusses realer Umweltbedingungen auf die Messapparatur
- bezüglich der Auswertung sowie der sich zeigenden Auswertemöglichkeiten realer Messdaten.